Neulich im Urlaub habe ich versucht, für meine Freundin, mich und die Kinder etwas im Café zu bestellen: „Drei Crêpes“ – „mit Nutella, Apfelmus oder Zimt?“ fragt die nette Spanierin hinter der Theke. „Nutella“. „Mit Sahne oder ohne?“ „Drei mit Sahne, einen ohne.“ „Mit Eis?“ „ähm, ja, mit Eis“. Der Kakao wird einfacher, dachte ich mir. „Mit Sahne oder ohne?“ „Mit“. „Welche Art von Schokolade – weiß, braun, Bitterschokolade,…?“ Sie hält mir eine Karte hin mit etwa 6 verschiedenen Kakaosorten. Als wir endlich am Tisch sitzen und dazu noch zwei Cappuccino organisiert haben – der für meine Freundin sollte laktosefrei sein, aber das habe ich im Eifer des Gefechts verpasst – war ich urlaubsreif, obwohl wir uns gerade in selbigem befanden. Ich fühle mich bei sowas immer wie in einem Assessment Center, in dem man hoch konzentriert zuhören und Fragen wie aus der Pistole geschossen beantworten muss. So viele Wahlmöglichkeiten können ganz schön anstrengend sein.

Dabei müssten wir doch dankbar sein. Selten in der Geschichte der Menschheit haben wir mehr Freiheiten gehabt – ob es um unsere Beziehungsform geht, den Beruf, die Länder, die wir bereisen, den Namen, den wir annehmen oder das Geschlecht. Diese Freiheit ist ein großes Privileg und nicht in allen Teilen dieser Welt selbstverständlich.

Dafür ist auch dagegen

Doch je mehr Möglichkeiten wir in unserem Leben haben, umso mehr Entscheidungen müssen wir treffen. Jede Entscheidung für etwas ist auch eine Entscheidung gegen etwas. Mit jeder Entscheidung können wir jemanden vor den Kopf stoßen oder auf uns selbst achten, etwas Schönes erleben oder auch mal scheitern. Mit jeder Entscheidung verpassen wir auch irgendwo etwas. Und das wurde uns nie so krass vor Augen geführt wie in Zeiten der Selbstdarstellung über Facebook und co. Heißt es nicht, man soll möglichst viel aus dem Leben rausholen, das JETZT erleben, Abenteuer suchen, nichts auf morgen verschieben, immer etwas Tolles unternehmen? Oder sollte man sich doch lieber mal Zeit für sich gönnen und auf der Couch bleiben? Mir persönlich sind Entscheidungen immer schwer gefallen. Im Restaurant bin ich die letzte, die bestellt, bei der Urlaubsplanung wälze ich vorher wochenlang Angebote.

Wie ist es erst mit den großen Lebensentscheidungen? Was ist der richtige Beruf, der Partner, Wohnort, Freundeskreis? Mit bestimmten Entscheidungen legen wir eine Richtung fest, das ist nunmal so. Manchmal bekomme ich von Freunden zu hören „früher war alles unbeschwerter, jetzt habe ich so viel Verantwortung.“ Jeder jenseits der 40 weiß: irgendwann hat man nicht mehr alle Möglichkeiten. Man kann nicht mehr Arzt, Astronautin oder Pilot werden. Man hat Familie gegründet oder nicht. Wir können bei vielen Dingen nicht die Zeit zurück drehen und es nochmal anders probieren. Wir haben in jedem Moment immer nur die eine oder andere Möglichkeit. Jeder, mit dem ich spreche, sagt auch: „Bestimmte Entscheidungen im Leben hätte ich im nachhinein anders getroffen.“ Und doch wissen wir nicht, ob es besser geworden wäre.

Was kann uns helfen, Entscheidungen mit einem guten Gefühl zu treffen? Psychologen raten dazu, diese nicht allzu lange hinaus zu zögern. Wir fühlen uns erleichtert, sobald eine Entscheidung getroffen ist. Laut Studien sind Menschen, die einmal einen beherzten Entschluss treffen, zufriedener als die, die etwas ewig vor sich herschieben. Letztendlich sei es sogar unerheblich, ob es die „richtige“ Wahl war oder nicht, denn wir haben die glückliche Gabe, uns mit den Dingen zu arrangieren und das Positive daran zu sehen.

Wichtig sei auch ein vernünftiger Realitätssinn bezüglich unserer Erwartungen. Oft führen ja die Entscheidungen, die wir so nebenbei – ohne große Erwartungen – treffen, zu den schönsten Erlebnissen. Wie viele grauselige Silvesterpartys habe ich schon erlebt, weil ich unbedingt genau an diesem Abend das Allerbeste erleben wollten, während das spontane „Versacken“ mit Freunden an einem ganz normalen Abend unter der Woche viel mehr Spaß gemacht hat. Wer mit jeder Wahl immer das absolute Optimum herausholen will, so sagen Psychologen, wird nie zufrieden sein.

Auch hier liegt die Krux: Wir machen uns viele Gedanken, weil alles optimiert werden soll. Wir wollen das Beste draus machen, möglichst viele schöne Dinge erleben. Je mehr Möglichkeiten sich uns auftun, umso mehr wird uns bewusst, was wir verpassen. Das macht Entscheidungen nicht einfacher. Ich habe mir früher oft darüber den Kopf zerbrochen. Mittlerweile helfen mir folgende Gedanken dabei, Entscheidungen leichter zu treffen:

1. Keine Entscheidung ist endgültig

Natürlich steht uns irgendwann nicht mehr alles offen. Trotzdem müssen wir nicht den Rest unseres Lebens in derselben eingefahrenen Bahn bleiben. Wir können den Partner wechseln, umziehen oder auch beruflich mit 60 nochmal neu anfangen. Hierfür gibt es zahlreiche Beispiele von Menschen, die dies erfolgreich gemacht haben – manche von sich aus, andere durch einen Schicksalsschlag bedingt. Für einige war es vielleicht schwer, andere sind dabei zu Hochform aufgelaufen.

2. Es nicht allen Recht machen wollen

Bei fast jeder Entscheidung sind andere Menschen involviert – oft müssen wir den einen oder anderen dabei vor den Kopf stoßen. Mädelsabend oder Zeit mit dem Partner, mit dem Kind spielen oder mit der besten Freundin telefonieren? Wir werden es nie allen Recht machen können. Setze bewusst Prioritäten, kommuniziere diese deutlich und lass das schlechte Gewissen außen vor. Bei jeder Entscheidung sind bestimmte Grundwerte involviert. Loyalität oder Mut? Ehrlichkeit oder Diplomatie? Schreibe dir deine wichtigsten Werte auf und frage dich bei jeder Entscheidung, um welchen Wert es geht und welcher dir wichtig ist.

3. Wie würde ein Vorbild jetzt entscheiden?

Denke an jemanden, den du bewunderst – den du privat kennst oder auch eine inspirierende Persönlichkeit – und überlege dir, wie in einer solchen Situation der- oder diejenige jetzt handeln würde. Das kann helfen, die Perspektive zu verändern.

4. Sich die Zeit nehmen, die es braucht

Manchmal höre ich von Menschen die Aussage: „Ich weiß, ich muss das jetzt endlich entscheiden, aber ich kann einfach nicht.“ Dann lass es. Manchmal darf man sich auch die Zeit nehmen, die eine Entscheidung braucht, um sie überzeugt zu treffen. Wenn der richtige Zeitpunkt da ist, dann wirst du es merken – sofern dies nicht eine Ausrede ist, um sich ganz vor der Entscheidung zu drücken.

5. Auf den Bauch hören, aber mit Bedacht

Oft heißt es ja, dass eine „Bauchentscheidung“ die richtige sei, dass wir auf unsere Intuition hören sollten. Dies ist hilfreich, solange wir nicht bestimmte impulsive Emotionen als „Intuition“ deuten. Manchmal ist es vielleicht Wut (nie wieder lass ich mich unterbuttern), Trotz (jetzt zeige ich es denen aber mal) oder Zögerlichkeit (mein Gefühl sagt, es soll nicht sein…), die uns treibt, Dinge vorschnell zu tun oder bleiben zu lassen. Hier hilft es, kurz inne zu halten und sich anzuschauen, welches Grundgefühl hinter dem Impuls steckt, so zu entscheiden.

6. Höhere Ebene sehen – Zustand der Achtsamkeit

Ich bin davon überzeugt, dass wir Zugang zu einer höheren Weisheit haben, einem Wissen darüber, was zu tun ist. An dieses Wissen gelangen wir jedoch nicht, wenn der Gedankenkreislauf schon im Gange ist. Viel wichtiger ist der Zustand, aus dem heraus wir entscheiden. Wenn wir Gedanken, Emotionen, Alltagssorgen loslassen können, sehen wir das große Ganze. Dann können wir unsere innere Weisheit, unsere Seele befragen. Dieser Zustand entsteht aus der Stille heraus – zum Beispiel durch Entspannung, Atemübungen oder Meditation. Hier richtet sich der Fokus auf das Essentielle, auf das, was wirklich wichtig ist im Leben. Mir selbst haben bestimmte Meditationen bei so einigen Entscheidungsfragen geholfen, eine Richtung zu finden.

Freier Wille oder vorgegebener Weg?

Vielleicht gibt es ja auch eine vorgegebene Bestimmung, eine Aufgabe, eine Richtung im Leben. Was nicht bedeuten muss, dass wir dem „Schicksal“ willenlos ausgeliefert sind. Vielleicht eher, dass das „Ziel“ auf verschiedenen Wegen erreicht werden kann. Welchen Weg wir nehmen, das können wir selbst entscheiden. Vielleicht ist es mal die staubige Landstraße, mal der saftige grüne Waldpfad oder auch die anstrengende Wanderung auf den Berg. Wenn es diese vorgegebene Richtung gibt, dann können wir darauf vertrauen, dass jeder Weg – jede Entscheidung – uns so oder so dahin bringt. Diesen Gedanken finde ich sehr beruhigend.

Namasté, Angela

Zitate

„Entscheide dich immer für das Unbekannte, auch wenn es riskant ist, und du wirst ständig wachsen“ Osho

„Es ist besser, unvollkommene Entscheidungen durchzuführen, als beständig nach vollkommenen Entscheidungen zu suchen, die es niemals geben wird.“ Charles de Gaulle

„Zu mancher richtigen Entscheidung kam es nur, weil der Weg zur falschen gerade nicht frei war.“ Hans Krailsheimer

„Richtig und falsch beziehen sich nicht auf das Ergebnis deiner Handlung, sondern darauf, in welchem Zustand du bist, wenn du etwas tust – meditativ oder nicht, wach und achtsam oder wie ein Schlafwandler.“ Osho

Meditationstipp

Die Seelenmeditation hilft, Gedanken und Gefühle loszulassen und Zugang zur Seele zu finden.

Glücksaufgabe

Schreibe deine 6 wichtigsten Werte auf und schaue sie dir jedes Mal, bevor du eine Entscheidung triffst, an. Versuche dann zu benennen, welcher Wert jeweils die Grundlage für deine Entscheidung ist. (Beispiele: Freiheit, Spaß, Gesundheit, Gerechtigkeit, Frieden, Loyalität, Liebe, Sinn, Reichtum, Erfolg, Gelassenheit, Verbindung, Freundschaft, Dankbarkeit, Klarheit etc…)

Glücksgedanken

  • Viele Wahlmöglichkeiten zu haben ist unser großes Privileg
  • Jede Entscheidung für etwas ist auch eine Entscheidung gegen etwas
  • Entscheidungen schnell und beherzt zu treffen macht zufrieden
  • Manchmal braucht eine Entscheidung aber auch Zeit
  • Intuition nicht mit impulsiven Emotionen verwechseln
  • Der Zustand, in dem eine Entscheidung getroffen wird, ist entscheidend: statt Pro-Contra-Listen lieber in die Stille kommen und nach innen lauschen
  • Stell dir vor, es gibt keine falschen Entscheidungen – nur welche, bei denen du einen anderen Weg zum Ziel nimmst.

3 Kommentare
  1. Angela
    Angela sagte:

    Liebe Brigitte, danke für deine Rückmeldung! Ja, ich finde auch das Zitat von Osho sehr hilfreich für Entscheidungen. Und genau wie du auch schreibst: Mut ist die beste Grundlage für schnelle und beherzte Entscheidungen! Und das Vertrauen, dass jede Entscheidung letztlich richtig ist.

  2. Brigitte Kottwitz
    Brigitte Kottwitz sagte:

    Danke Angela, mein Bild: ein Pfahl mit vielen Richtungspfeilen rund um mich herum. Das Zitat:„Entscheide dich immer für das Unbekannte, auch wenn es riskant ist, und du wirst ständig wachsen“ Osho, gefällt mir, denn da brauche ich nur Mut und brauche nicht für und wider abzuwägen. Lange Entscheidungen machen mir Angst. Gefühl:Der Zustand, in dem eine Entscheidung getroffen wird, ist entscheidend: statt Pro-Contra-Listen lieber in die Stille kommen und nach innen lauschen. Ja, das gibt mir meistens den Mut zum Jetzt! go,go,goooo

Trackbacks & Pingbacks

  1. […] Woher kommt dieses Gefühl, das uns über den gesunden Menschenverstand hinweggehen lässt? Gibt es wirklich eine Art Bauchgefühl oder Intuition? Und wenn ja, liegt dieses immer richtig? Psychologen beschreiben Intuition als eine Art erfahrungsbasiertes Wissen, das wir heranziehen, wenn wir für Entscheidungen wenig Zeit haben. Oder dann, wenn eine Entscheidung aufgrund der Faktenlage klar wäre, aber das Gefühl dafür spricht, etwas anderes zu machen. Wenn ich bei Entscheidungen zum Beispiel versuche, Pro und Contra-Listen zu machen, komme ich schnell an meine Grenzen. Die Fakten allein reichen eben nicht aus, um mein allgemeines Gefühl zu einer Sache zu beschreiben. Und dieses Gefühl überwiegt dann oft gnadenlos alle Fakten (siehe auch Blogartikel zum Thema „Entscheidungen“). […]

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