Endlich weg aus Indien! Was freuen wir uns darauf, nach Koh Samui zu fliegen, uns an einem schönen Strand eine Weile niederzulassen und einfach nur die Seele baumeln zu lassen! Schon der Transfer am Flughafen Bangkok ist klasse organisiert. Direkt nach dem Ausstieg aus der Maschine erwartet uns eine Flughafenmitarbeiterin mit einem Schild und führt uns im Schnellschritt durch den riesigen Flughafen. Anscheinend ist der Anschluss nach Koh Samui wohl doch sehr knapp. Nix mit Duty Free Shopping Bummel, etwas trinken oder mal irgendwo umschauen. Erst am Gate ist Ruhe. Aber es ist irgendwie auch schön, mal nicht mehr nur unter Indern zu sein, sondern wieder „westliche Touristen“ zu sehen. Man könnte fast meinen, der Flug ginge von Dortmund nach Mallorca.
Bei Ankunft auf Koh Samui merken wir den Unterschied: Wir stehen an einem Mini-Flughafen und warten auf das Gepäck, in feucht-tropischer Hitze. Gekkos laufen an der Wand, die halb offene Halle hat nur ein Bambusdach. Immerhin, unser Hotel-Shuttle ist ein moderner Kleinbus mit super Klimaanlage. Und das Resort, in dem wir uns für die ersten Tage eingemietet haben, ein Traum! Ein großes Zimmer mit Terrasse, direkt dahinter der Pool, Blick auf das Meer, dann direkt weißer Sandstrand. Das heißt, vom Zimmer aus können wir in den Pool hüpfen, von dort aus ins Meer und wieder zurück. Für Frühstück und Abendessen gibt es ein nettes Restaurant direkt am Meer, abends werden sogar die Tische und Stühle direkt am Strand aufgestellt. Angekommen im Paradies!
Paradies mit Hindernissen
Und doch ist das Leben nun mal kein Hollywood-Film mit Happy End. Wozu auch? Das wäre letztendlich langweilig und würde uns nicht weiterbringen im Spiel des Lebens. Eigentlich könnten wir uns jetzt zurücklehnen und genießen. Eigentlich. Doch das, was sich schon in den Wochen vorher abgezeichnet hatte, spitzt sich jetzt zu: Die Patchwork-Konstellation ist doch nicht so einfach, wie wir uns das vorgestellt hatten. Es kommt immer wieder zu Interessenskonflikten, Unverständnis und Diskussionen. Es fällt uns schwer, konstruktiv zu bleiben, ohne in Vorwürfe abzurutschen. Ich stehe zwischen den Stühlen und schaffe es nicht, die Balance zu halten in unserem „Dreierteam“. Es fühlt sich so an, wie wenn ich machen kann was ich will, aber einer fühlt sich immer benachteiligt. Für uns alle ist es anstrengend.
Wir suchen nach Möglichkeiten. Vielleicht eine Weile getrennt weiterreisen? Die Reise komplett abbrechen? Alles scheint sinnlos und nicht passend. Ein weiterer Faktor kommt jedoch hinzu, der uns am Ende die Entscheidung abnimmt: Michaels Gesundheitszustand. Er hatte bereits in Indien hohes Fieber gehabt. Dieses konnte dort zwar mit Medikamenten gedämpft werden, aber es blieb ein ständiges Kribbeln in seinen Händen, bis diese am nächsten Morgen auf Koh Samui völlig gerötet und geschwollen waren. Somit wurde klar, dass die Reise für Michael hier – zumindest vorerst – beendet sein würde. Nach einem schweren Abschied stieg er noch am selben Abend in den Flieger zurück nach Deutschland. Dort stellte sich dann heraus, dass die Entscheidung richtig war: Er hatte sich tatsächlich Dengue-Fieber eingefangen. Zum Glück konnte er gut behandelt werden und ist mittlerweile wieder wohlauf.
Ich fahre am nächsten Morgen mit Joshua alleine zur Nachbarinsel Ko Phangan weiter. Die Bungalows dort liegen zwar direkt an einem wahren Traumstrand, aber es ist durch all das Geschehene auch bei uns ein wenig Ernüchterung und „Reisemüdigkeit“ eingetreten. Joshua vermisst seine Freunde zu Hause, ja sogar die „normale Schule“ und auch die kühlen Temperaturen. Es mag paradox klingen, aber irgendwann ist es tatsächlich so: du kannst am schönsten Strand sein, quasi im Paradies, und irgendwann ist es nichts Besonderes mehr. Irgendwann reicht es, morgens ins Meer zu springen, schnorcheln zu gehen, nachts zu schwitzen oder zu frieren – je nach Klimaanlage. Es nerven die Mücken im Bungalow, die Lautstärke der Klimaanlage, die Mini-Ameisen, die überall auftauchen, sobald man irgendwo auch nur Spuren von Essen hinterlässt. So sehr wir uns zu dritt auch gerieben haben, zu zweit ist es gerade auch schwer – wie wenn die Luft raus ist. Ich bin sehr dankbar, dass ich liebe Freundinnen habe, die mir alle von Herzen her ihre seelische Unterstützung und Telefonate anbieten.
So nehme ich mir abends immer mal eine kleine Auszeit, setze mich an den Strand und rufe eine Freundin an. Dank moderner Technik und der Möglichkeit von Whatsapp-Call klappt das super und hört sich an wie 2 Straßen weiter. Auch Joshua freut sich, dass er auf die Weise – meist verbunden mit gemeinsamem Gaming – den Kontakt mit seinen Freunden halten kann.
Zen Beach ohne Zen
Ein weiterer Lichtblick ist Isabell mit ihrer Familie. Ich hatte sie zufällig auf dem Hotelflur in Agra, Indien, kennengelernt. Ich kam von einem Coaching-Call, den ich unten im Restaurant geführt hatte, sie mit ihrem kleinen Sohn vom Swimming Pool. Da ich hörte, wie sie mit ihm deutsch sprach, sprach ich sie direkt an. Schließlich sieht man auf einer solchen Reise nicht sehr oft andere Eltern mit Kindern. Tatsächlich, sie war allein mit ihrem Vierjährigen unterwegs, würde sich dann auf Ko Phangan mit ihrem Freund treffen. Wir tauschten direkt Kontaktdaten aus, gingen abends zusammen essen und verabredeten uns auf Ko Phangan. Hier im Resort gibt es also nun ein freudiges Wiedersehen mit Isabell, ihrem Sohn und ihrem Freund.
Sie kennt sich hier aus und will mit uns zum „Zen Beach“ gehen, das ist der bekannte und beliebte Hippie-Beach, zum Sonnenuntergang schauen. Als wir dort ankommen, scheint es mir jedoch eher so, dass dies der „Angeber-„ und „Poser-Beach“ der Insel ist. Es gibt eine Bar mit Sonnenliegen und Stühlen, an der man günstig Gin Tonic, Bier und spezielle „Kekse“ bekommen kann – was ich von Amsterdam kenne, aber hier nicht erwartet hätte. Wir halten uns lieber an Gin Tonic.
Joshua ist zusammen mit Isabells Sohn Marlon trotz des Altersunterschiedes damit beschäftigt, Sandburgen zu bauen. Isabel, ihr Freund Vivian und ich quatschen und beobachten dabei das „Szenepublikum“ an diesem Beach. Ein langhaariger, etwas verlebter Typ geht rum und verkauft irgendwelche bewusstseinserweiternden Substanzen an die in Gruppen rumsitzenden Leute – bevorzugt Mädels. Man sieht hier aber auch zahlreiche muskulöse, tätowierte Typen mit langen Haaren oder einem „Männerdutt“ – also dieser typischen Yoga-Spiri-Frisur, die man an Orten sieht, wo die Leute sich für besonders spirituell und gleichzeitig hip halten. Einer von ihnen steht direkt vorne am Strand und macht irgendwelche Yoga- oder Tai Chi Verrenkungen, damit auch alle sehen können, wie toll er sich darstellt. Oder ist er einfach nur high? Wir erkennen es nicht. Einige Frauen kommen im knappen Bikini und versuchen sicher zu gehen, dass schon ihr Auftritt und die Art, wie sie sich an den Strand legen, zum sensationellen Erlebnis für die Zuschauer wird. Zum Glück färbt sich jetzt der Himmel rot zum Sonnenuntergang, und ich widme mich lieber dem weitaus authentischeren Schauspiel der Natur, statt mir diese skurrile Schauspielerei der Poser und Pseudo-Spiris weiter anzuschauen. Trotzdem ist es irgendwie lustig, und wir gehen am nächsten Tag wieder zum Zen Beach.
Ich versuche weiterhin, so gut es geht, diese Zeit mit Joshua schön zu gestalten, auch wenn es in mir stimmungsmäßig anders aussieht. Wir machen eine längere Schnorcheltour, mieten einen Roller, toben im Pool, gehen am Strand auf und ab und sammeln im Wasser Korallen. Außerdem haben wir jetzt endlich eine Online-Schule gefunden, über die Joshua Kurse machen kann. Langfristig ist es doch einfacher, wenn jemand „von außen“ ihm Schulaufgaben gibt als immer nur Mama.
Wenn Tiefpunkt, dann richtig!
Noch am selben Abend wird jedweder Versuch, das Beste aus diesen Tagen zu machen, wieder jäh zerstört. Gerade habe ich mit einer Freundin telefoniert und komme zurück in den Bungalow, da ist Joshua plötzlich ganz heiß und liegt apathisch auf dem Bett. Die Messung ergibt: 39 Grad Fieber. Ich gebe ihm Paracetamol, in der Hoffnung, dass es wieder runtergeht. Am nächsten Tag scheint es etwas besser, doch abends wieder Fieber. Ich hatte mich schon vorab bei der Rezeption erkundigt, ob man einen Arzt kommen lassen kann, doch der junge Ami dort sagte mir, dass wir selbst ins Krankenhaus fahren müssen. Samstag morgen sind es 39,5 Grad Fieber. Jetzt heißt es, schnell handeln! Ich packe schonmal vorsorglich unsere Taschen, nehme die beiden Handgepäckrucksäcke und bestelle das Taxi zum Krankenhaus. Sicherlich sind wir gegen Mittag wieder zurück, denke ich noch. Draußen regnet es in Strömen und gewittert so laut, dass wir bei jedem Donnerschlag zusammenzucken.
Ein Taxi auf Ko Phangan bedeutet: Eine Art Mini-LKW, wo die Fahrgäste hinten auf der Ladefläche – mit Dach, aber ansonsten offen – auf 2 Bänken gegenüber sitzen. Das bedeutet für uns, dass der starke Regen ordentlich hineinpeitscht und wir uns notdürftig mit einem Handtuch schützen müssen. Nach einem Kilometer Fahrt beginne ich zu bezweifeln, dass wir mittags zurück aus der Klinik sind. In einer spontanen Eingebung bitte ich den Fahrer, umzudrehen, um auch unser restliches Gepäck zu holen. Also wieder zum Bungalow, im strömenden Regen die beiden schweren Taschen auf die Ladefläche gehievt und weiter zum Krankenhaus. Dieses ist im gleichen Ort, in dem auch das Boot nach Koh Samui fährt. Das ist schonmal gut.
Erste Erleichterung bei der Diagnose des Arztes: Kein Dengue. Aber dafür eine Infektion im Darmbereich. Er muss auf jeden Fall die Nacht hier bleiben. Eine deutsche Frau, die hier arbeitet, gesellt sich zu uns und beruhigt uns ein wenig. Wir brauchen uns keine Sorgen zu machen, und natürlich darf ich als Mama mit auf dem Krankenhauszimmer übernachten. So werden wir auf das Zimmer gebracht und erleben eine freudige Überraschung: Ein wirkliches Luxuszimmer, besser als in so manchen Hotels, in denen wir übernachtet haben. Es empfängt uns sanfte SPA-Musik vom Fernseher, auf dem Traumstrandbilder von Thailand gezeigt werden. Neben dem „Krankenbett“ von Joshua haben sie eine Liege für mich aufgebaut. Es gibt sogar eine kleine Küchenzeile mit Wasserkocher, Instant Nudeln, einer Mikrowelle, Minibar und einem Kühlschrank. Hier können wir es sicherlich gut aushalten. Ein Hoffnungsschimmer. Doch wir werden eines anderen belehrt.
Step by Step geht immer
Am nächsten Tag heißt es, wir müssten aufgrund der Symptome mindestens eine Woche bleiben. Ich bin ziemlich am Boden zerstört, kann kaum noch klar denken und weiß überhaupt nicht mehr, wie es weiter gehen soll. Außerdem mache ich mir Vorwürfe – dass ich es zu spät gemerkt habe, dass ich die Reise überhaupt gemacht habe, alles bricht über mir zusammen. Ich hadere sehr mit dem „Schicksal“ – wozu? Wozu nur soll es gut sein, das Ganze hier zu erleben? Wir wollten uns gemeinsam einen Traum erfüllen mit dieser Reise. Und jetzt zerbricht alles in Scherben. Es fällt mir schwer, einen klaren Gedanken zu fassen. Ich kann einfach nur noch irgendwie den Moment überstehen, von einem Tag auf den nächsten. Meine Traurigkeit über den Verlauf der Reise, meine Sorge, meine Anspannung – gerade echt schlimm. Der Himmel draußen weint mit – es stürmt und regnet, die Palmwipfel draußen vor dem Fenster bewegen sich heftig im Wind.
Das Leben schöpferisch gestalten – jeden Tag
Dabei weiß ich ja letztendlich, dass das alles Luxusprobleme sind. Andere Menschen leiden unter Krieg, Armut, chronischen Krankheiten. Doch das ist ja nicht immer ein Trost für die eigene Situation.
Und ich kenne doch alle Methoden, die helfen, um solche Situationen zu überstehen: lachen, etwas Gutes für mich tun, meditieren – all das, was ich schließlich auch in meinen Kursen und Workshops meinen Teilnehmer:innen erzähle! Trotzdem bin ich wie gelähmt und beherzige nur den einen Tipp, den ich auch anderen gebe: Mach dich nicht noch selber runter, wenn du all das gerade nicht schaffst und einfach nur traurig und besorgt bist! Dann ist es gerade so und darf angenommen werden. Mir hilft im Moment nur eins: nicht groß nachdenken, einen Tag nach dem anderen leben, im Hier und Jetzt. Und irgendwo tief in mir drin habe ich trotz allem das Vertrauen, dass alles wieder gut wird – egal wie.
Das Einzige, was ich schaffe, ist morgens eine kleine Meditation zu machen und immer wieder ein paar Sätze von Kurt Tepperwein zu lesen, die mir Hoffnung machen:
„Sie können aus JEDEM Augenblick etwas ganz Besonderes machen. Realität ist JEDERZEIT bereit JEDE gewünschte Form anzunehmen und das Leben wartet NUR auf Ihre „Anweisungen“. Der erste Schritt ist aufzuwachen aus dem Traum, wach zu sein und sich bewusst zu machen, wer Sie sind, wer Sie WIRKLICH sind. Das Leben ist ein Spiel, in dem Sie nur gewinnen können, aber es geht nicht darum, zu gewinnen, sondern das Spiel zu genießen.“ Kurt Tepperwein
Ja, das Spiel des Lebens. Es ist eben nicht immer eitel Sonnenschein und happy happy. Es ist ein ordentlich geschnürtes Päckchen, das aus Aufgaben, Herausforderungen und auch Geschenken besteht. Selbst wenn ich die Geschenke im Moment noch nicht erkennen kann – ich bin mir sicher, es gibt welche. Und so bestätigt sich wieder genau das, was ich auch in meinen Kursen und Vorträgen und Seminaren versuche zu vermitteln: Es geht nicht darum, dass alles immer perfekt läuft im Leben. Sondern es geht darum, die Krisen des Lebens mit Zuversicht zu meistern, sich immer wieder aus der Opferhaltung (warum nur passiert mir das?) zu befreien und schöpferisch tätig zu werden. Und wenn es nur Tag für Tag ist. Es gilt, immer davon auszugehen, dass sich alles ordnet im Leben. Dafür muss manchmal vorher alles auseinander brechen, das wir uns mit unserem Ego so schön zurecht gelegt hatten. Die Buddhisten würden sagen „jede Anhaftung loslassen.“ Sobald wir an etwas festklammern, etwas unbedingt wollen, uns auf etwas verlassen, was sein soll, die „Schäfchen im Trockenen“ wähnen, dann macht uns das Leben halt mal eben so einen gehörigen Strich durch die Rechnung. Danke, liebes Leben, für diese Extra-Lektion!
Immerhin: der nächste Tag in der Klinik bringt Entwarnung: Die Antibiotika wirken, die Symptome sind unter Kontrolle, und wenn alles klappt, dürfen wir doch am nächsten Tag raus. Endlich das Schlimmste geschafft! Doch ob wir wirklich raus dürfen und wie es dann weitergeht, das erfährst du im nächsten Blog…
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Herzlichst Angela
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Die folgende Geschichte hilft mir, zuversichtlich zu bleiben. Vielleicht findest du sie auch interessant.
Die Geschichte vom alten Mann und dem Pferd
Eine alte chinesische Geschichte erzählt von einem Bauern in einem armen Dorf. Er besaß ein Pferd, mit dem er pflügte und Lasten beförderte.
Eines Tages lief ihm sein Pferd davon. Seine Nachbarn riefen, wie schrecklich das sei, aber der Bauer meinte nur: „Wir werden sehen.“
Ein paar Tage später kehrte das Pferd zurück und brachte ein weiteres Pferd mit. Die Nachbarn freuten sich alle über sein günstiges Geschick, aber der Bauer antwortete erneut: „Wir werden sehen.“
Am nächsten Tag versuchte der Sohn des Bauern, das neue Pferd zu reiten. Das Pferd warf ihn ab und er brach sich dabei ein Bein. Die Nachbarn bekundeten ihm alle ihr Mitgefühl für dieses Missgeschick, aber vom Bauer hörten sie wieder nur ein: „Wir werden sehen.“
In der nächsten Woche brach ein Krieg mit dem Nachbarkönigreich aus. Alle jungen Männer aus dem Dorf sollten eingezogen werden, um im Krieg zu kämpfen. Doch den Sohn des Bauern wollten sie nicht, weil er ein gebrochenes Bein hatte.
Als die Nachbarn ihm sagten, was für ein Glück er hat, antwortete der Bauer: „Wir werden sehen.“
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