Nun ist es soweit und wir kommen in dieses wahnsinnige Land, das man gleichzeitig hassen und lieben kann. Nach Indien kommen viele einmal und nie wieder. Andere lassen sich irgendwie dann doch auf das Land ein und kommen immer wieder – so wie ich. Kein Land, das ich kenne, triggert Menschen so krass wie dieses. Wir haben auch diesmal all die faszinierenden und zum Teil verstörenden Gegensätze voll mitgenommen.

Lachen verbindet – auch international

Auf der internationalen Laughter Yoga Conference in Nashik haben wir gelebt wie die Könige und Königinnen. Die Konferenz fand in einem gehobenen Resort statt, in dem wohl eher die reichen Inder verkehren. Das ging so weit, dass wir mit ein paar Leuten zusammen ein Haus mit eigenem Pool hatten und ein „House Keeper“ rund um die Uhr für uns zur Verfügung stand. Da unser Wohnhaus etwas weiter entfernt von dem Ort war, an dem die Conference statt fand, wurden wir – wann immer nötig – eigens mit dem Auto hin- und hergefahren. An allen Orten stand ein Auto mit Chauffeur bereit oder wurde schnell herbei gerufen. Ökologische Aspekte? Danach fragt hier keiner. So konnte man Indien hier fast auf „Kolonialherren/ – frauenart“ genießen und sich einzig und allein darüber beschweren, dass es keine Einzelzimmer gab.

Immer wieder erweist sich das Lachyoga als eine wunderbare Möglichkeit, mit Menschen international in Kontakt zu kommen. Alle sind offen und freundlich, auch gegenüber Joshua, der es als „Schulaufgabe“ von mir bekommen hat, wenigstens zu einigen Vorträgen mitzukommen. Zahlreiche Japaner:innen sind dabei, Teilnehmer:innen aus Thailand, Italien, Frankreich, Deutschland und vielen mehr. Aus Israel konnte nur eine Frau anreisen, da die meisten Flüge aufgrund des Krieges storniert waren bzw. zu Hause wichtigere Aufgaben warteten. Sehr berührend war es, gemeinsam mit Lily aus Isreal für Frieden zu beten und zu lachen. Auch aus Russland waren ein paar Teilnehmer:innen angereist, leider nicht aus der Ukraine.

Hilfe, die Ohren!

Besonders spannend war es, einen indischen Lachclub in Nashik zu besuchen. Mit ca. 80 Personen aus allen Ländern waren wir als „International Delegates“ die Ehrengäste und wurden von allen herzlich begrüßt und gefeiert. Lachclub bedeutet dort: Hunderte von Menschen treffen sich in einer Riesenhalle und vorne auf der Bühne steht jemand und hält erstmal eine lange Rede, die man kaum versteht wegen Mikro-Überdrehung und Indian English. Vielleicht ist so eine Rede ja sonst auch nicht üblich, sondern war nur für uns gedacht. Dann werden Übungen gemacht und alle machen im Sitzen mit bzw. nur nach Aufforderung im Stehen. Auf jeden Fall ist alles, was dort passiert sehr sehr sehr laut – über 100 Dezibel, wie meinem Kollegen auf seiner Apple Watch warnend angezeigt wird.

Je länger ich in diesem Land bin, umso mehr komme ich zu der Überzeugung, dass die meisten Inder:innen bereits fast taub sein müssten, bei dem Lärmpegel überall. Zumindest wird mit dieser Lautstärke dann am Ende der Lachyoga-Session noch gemeinsam Party gemacht und getanzt. Und das bedeutet hier: auch ältere Frauen in ihren Saris, tanzen, rocken ab, wollen alle Selfies machen und strahlen und feiern um die Wette. Einfach ein Spaß, in den wir eintauchen und jeden besonderen Augenblick genießen können. Und wieder mal frage ich mich: warum sind die Menschen in Deutschland oft so missmutig und wählerisch („nein, nach der Musik tanze ich nicht!“), wo es doch so einfach sein kann, gemeinsam begeistert Spaß zu haben. Meiner Meinung nach braucht es dafür nicht mal Lachyoga. Sondern einfach nur die Entscheidung, sich auf die besonderen Momente des Lebens einzulassen, statt immer daran zu denken, wie es „eigentlich“ richtig sein müsste.

Gelassenheit ist alles

Diese gelassene Grundeinstellung brauchen wir allerdings auch an unseren nächsten Stationen: zunächst sind es noch 2 Nächte Mumbai. Hier nutzen wir natürlich den Tag, um zum Gateway of India zu fahren. Das bedeutet, den halben Tag in einem überhitzten Taxi im Stau stehen, dann durch Staub, Dreck und Menschenmassen zu laufen, den Himmel nicht richtig zu sehen vor lauter Smog, sich ständig mit indischen Familien fotografieren lassen und abends froh sein, sich im fensterlosen Hotel wieder ins Bett fallen zu lassen.

Leben und Tod – nah beieinander

Wir sind schließlich froh, als der Flieger in Varanasi landet. Varanasi, die heilige Stadt am Ganges. Ich kenne Varanasi gut von meiner früheren Mitarbeit in Projekten, aber wie werden die anderen es verkraften? Neben Michael und Joshua besteht hier unsere kleine „Reisegruppe“ noch aus Heidi und Andrea aus Berlin (beide Lachyogis) sowie Carla aus Kalifornien, die wir von der Laughter Yoga Conference kennen und die ebenfalls auf Weltreise ist. Zunächst erwartet uns eine schöne Überraschung bei Ankunft.

Das Yoga Ashram, das ich für uns organisiert habe, ist ruhig und friedlich, und von unserem Zimmer aus haben wir einen atemberaubenden Blick über die Stadt und über den Ganges. Morgens um 8:00 gibt es Yoga mit Peetambar, meinem absoluten Lieblings-Yogalehrer. Er hat mir gezeigt, dass Yoga nicht nur ein „Gymnastik-Programm für Hausfrauen“ ist, sondern ein geniales Workout für Körper, Geist und Seele. Monatelang habe ich damals in Berlin nach einer Yogaschule gesucht, die es ähnlich macht wie er, aber leider vergeblich. Mittlerweile habe ich als Yogalehrerin meinen eigenen Stil gefunden, uns es ist auch ok. Trotzdem genieße ich es, einfach nur als Teilnehmerin dabei zu sein und so von ihm gefordert zu werden, dass ich innerhalb von wenigen Tagen rasante Fortschritte mache und sogar den Kopfstand ohne Probleme schaffe.

Nawal – Business mit Lachen und Leidenschaft

Ein weiteres Highlight ist das Wiedersehen mit meinem indischen Freund Nawal. Wie ich es von früher kenne, sitzt er entspannt in seinem Laden, macht nebenbei sein „Business“ schüttelt lachend seinen dunklen Lockenkopf und alle kaufen ihm den Laden leer. Ungewohnt sind die vielen indischen Touristen, die in Varanasi unterwegs sind, zu Teil auch „gehobeneres Klientel“ aus Delhi und Mumbai. Nawal organisiert für uns eine „Walking Tour“ durch Varanasi mit einem amerikanischen Freund. Drei Stunden lang führt er uns durch zahlreiche Tempel, durch die engen Gassen der Stadt, in kleine Hinterhöfe hinein. Super spannende Ecken und Infos, die selbst ich vorher noch nicht kannte. Aber auch sehr krasse Eindrücke, zum Beispiel von den „Ghats“ – so heißen die Treppen am Ganges – an denen die Leichen verbrannt werden. Es riecht überall in der ganzen Stadt ständig nach Rauch, aber hier natürlich noch mehr. Joshua nimmt es relativ gelassen. Man sieht nicht direkt, was dort passiert, aber man weiß es eben. Ich rede offen mit ihm darüber. Hier ist eben der Tod kein Tabu, sondern Bestandteil des Lebens – bzw. des Karmakreislaufs. Wenn hier jemand stirbt, ist es nicht etwas Schlimmes, sondern für die Menschen eine Erlösung. Neben der Verbrennungsstätte ist jede Menge Leben: Verkäufer, Familien auf Sightseeing, religiöse Pilger.

„Hupen ist sooo überflüssig“ – nicht in Indien

Was uns mehr zu schaffen macht – besonders Joshua mit seinem empfindlichen Gehör – ist auch in Varanasi der Lärm. Es ist sehr anstrengend, gemeinsam durch die überfüllten Straßen zu laufen und ständig den hupenden Mopeds auszuweichen. Joshua bekommt bei jedem Hupen einen Tobsuchtsanfall. Sobald wir dann in Nawals Laden oder im netten „Rooftop-Restaurant“ nebenan sitzen, ist es eine akustische Wohltat und wie in einer Oase. Auch mit dem Essen ist es hier schwierig. Selbst wenn wir noch so oft sagen „non-spicy“, ist es zu scharf für ein Kind, das nun eben nicht schon als Baby mit Masala Chai gefüttert wurde.

Im Nachhinein bin ich glücklich und dankbar, dass alle diese Stadt so toll „gemeistert“ haben. Ich habe in Varanasi damals – vor 18 Jahren –  Erfahrungen gemacht, die für mich lebensverändernd waren. Ich habe mich alleine hier hinein gewagt, viele spannende und tolle Menschen getroffen und mehr zurückbekommen als ich je hätte geben können. Oft hat es mich in diese besondere Stadt und zu den Menschen dort wieder hingezogen, doch jetzt merke ich, dass es für mich „rund“ ist, irgendwie abgeschlossen. Und das ist gut so. Und so sind wir alle froh, als wir am Flughafen von Delhi endlich wieder eine Art „normale Zivilisation“ vorfinden, so banal es klingt: Subway, Pizza Hut und ein richtiger Kaffee Latte können manchmal tatsächlich paradiesische Gefühle hervorrufen.

Indien bringt vor allem eine Lektion mit sich: Wir sollten das, was wir haben, einfach sehr sehr schätzen. In Indien versinken die Menschen zum Teil in Dreck, Smog und Müll. Und doch weinen und lachen sie, glauben an ihre Götter, sind fröhlich oder traurig, leben ihr Leben und sind grundsätzlich gut und liebevoll. „Innere Schönheit“ so hat Joshua das Land beschrieben.

Wir haben bei uns in Deutschland alle Voraussetzungen, glücklich zu sein und ein Leben in Wohlstand (dies ist ja immer relativ!) zu leben. Das gelingt uns vor allem dann, wenn wir uns nicht mehr über die kleinen Probleme des Alltags aufregen, sondern in Dankbarkeit alles annehmen, was uns begegnet. Dass genau das für mich meine wichtigste Übung in Thailand sein wird, ahne ich in dem Moment noch nicht. Doch mehr dazu im nächsten Blog.

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