Boh, ist das langweilig! Ferse, Spann, Ballen, Zehen – gaanz langsam schreite ich durch die Gehmeditation. Lieber würde ich jetzt joggen gehen oder mich mit jemandem angeregt unterhalten. Aber ich soll eben lahm gehen, hier im „Vipassana Meditation Center“ in Nepal. Ich müsste nachher mal mein T-Shirt durchwaschen, fällt mir da ein. Und bald gibt es endlich Frühstück! Meine Gedanken schweifen ab. Ich zwinge mich, bei der Wahrnehmung meiner Fersen zu bleiben, bei jedem einzelnen Muskel, der sich anspannt, wieder entspannt, bei jedem Druckpunkt, der meinen Fuß nacheinander mit der Erde verbindet. Dann spüre ich die aufgehende Morgensonne auf meinen Wangen, dazu den sanften Wind. In der Ferne ertönt der Gong des nahen japanischen Tempels, exotische Vögel beginnen ihr Lied zu singen. Am Wegesrand sehe ich eine Blume, die in einem solch tiefen Rot blüht, wie ich es noch nie zuvor gesehen habe. Ein Schmetterling tanzt um sie herum. Was für eine unendliche Fülle an Sinneseindrücken!
Später, in der Sitzmeditation, geht es nur noch um die Innenwelt. Der Raum ist abgedunkelt, man soll sich anderthalb Stunden lang nicht bewegen, die Füße schlafen ein. Die Schmerzen wandern von einer Stelle im Körper zur nächsten. Manchmal sind sie kaum noch aushaltbar. Wenn ich dann trotzdem ausharre, beginnt die Energie in meinem Körper zu fließen. Wow! Solche Momente gehören zu den schönsten in diesen 10 Tagen, dich ich mir hier auferlegt habe. Die längsten 10 Tage meines Lebens – und doch auch mit die prägendsten.
Meditation – Trend nicht nur in der Wirtschaftswelt
Meditation: das ist heute keine weltferne Eso-Masche mehr, sondern in aller Munde. In der Wirtschaftswelt redet man von „Achtsamkeit“ und so manch ein gestandener Manager meditiert vor wichtigen Meetings, um gelassen und mit innerer Kraft in die Verhandlung gehen zu können. Entspannung, MBSR und Meditation werden nicht nur in zahlreichen Frauenmagazinen als Weg zur Gelassenheit empfohlen, sondern auch in ZEIT, FAZ und Wirtschaftswoche. Dies birgt jedoch die Gefahr, dass Menschen sich gedrängt fühlen, diesem Trend zu folgen. Um fit für den Erfolg oder leistungsfähiger zu werden oder um noch besser zu funktionieren.
Innere Einkehr – neue Perspektiven
Doch es geht um das Gegenteil. Nämlich darum, einfach mal zu sein statt zu tun und zu machen. Ziel ist es, inne zu halten, zur Ruhe zu kommen, den eigenen – meist negativen – Gedankenkreislauf zu durchbrechen. Bei der Meditation üben wir, im Hier und Jetzt zu sein, die Perspektive zu wechseln und Zugang zur eigenen Intuition, göttlichen Essenz oder inneren Weisheit zu finden. Durch Meditation stärken wir unsere innere Kraft und machen unsere Lebenszufriedenheit und Gefühle unabhängig von den Stürmen des Lebens. Sie hilft uns, aus der Opferrolle auszusteigen und zu erkennen, in welchen Bereichen des Lebens wir uns viel zu viele Sorgen und Gedanken machen. Wir werden uns bewusst, dass wir dem alltäglichen Stress und unseren Problemen nicht hilflos ausgeliefert sind. Viele Probleme verlieren an Bedrohlichkeit, wenn wir unsere Einstellung dazu verändern. Durch Meditation können wir dies Schritt für Schritt tun – in Richtung mehr Lebensfreude, Gelassenheit und Zufriedenheit. Dabei wiederum können bessere Konzentrationsfähigkeit, Stressresistenz und somit auch mehr Erfolg im Leben durchaus eine Folge von regelmäßiger Meditationspraxis sein.
Meditation verändert Gehirnstrukturen
Auch für Skeptiker oder diejenigen, die sich gerne selbst als „Verstandesmensch“ bezeichnen, gibt es mittlerweile genügend Argumente und Studien, die die positive Wirkung von Meditation belegen. Forscher weltweit haben herausgefunden, dass bei der Meditation der Blutdruck sinkt, der Herzschlag sich verlangsamt, die Atmung sich vertieft und Muskelanspannungen reduziert werden. Hirnforscher haben festgestellt, dass sich durch regelmäßige Meditation die Aktivität des Gehirns messbar verändert. Und zwar genau in den Hirnregionen, wo es um Gefühle geht, und auch um körperliche Empfindungen. Der Hirnbereich, in dem Sinneseindrücke gebündelt werden (Thalamus) und die gesamte Aufmerksamkeit sich sammelt, wird gestärkt. Der Fokus richtet sich auf positive Dinge und die Hirnregion, in der Angst und Stress entstehen (Amygdala), wird gedämpft. Auch konkrete körperliche Beschwerden lassen sich nachweislich durch Meditation reduzieren, so zum Beispiel Kopfschmerzen, Schlafprobleme, Herzstolpern oder Durchblutungsstörungen.
Meditation gegen Kriminalität?
Einige Studien beschreiben darüber hinaus noch den sogenannten „Maharishi-Effekt“: demnach sei in den Städten in den USA, in denen mindestens 1% der Bevölkerung regelmäßig Meditation ausübten, die Kriminalität signifikant zurückgegangen. So könnte Meditation auch ein Weg sein, um zu mehr Frieden, Harmonie und Mitgefühl auf dieser Welt beizutragen. Die Belegbarkeit dieser These wird jedoch von einigen Seiten angezweifelt.
Unabhängig von wissenschaftlichen Ergebnissen und Belegen erlebe ich, was in unseren Kursen und Seminaren passiert, in denen Menschen inne halten, meditieren, atmen, entspannen oder Yoga praktizieren. Der Gruppenzusammenhalt steigt, es entstehen Mitgefühl, Liebe und Verständnis für die Mitmenschen. Statt Stress, Misstrauen oder Konkurrenz breitet sich eine Atmosphäre von Gelassenheit und Zufriedenheit aus. Da jeder einzelne ein sehr viel stärkeres Bewusstsein für die eigenen Bedürfnisse – aber auch die Bedürfnisse der anderen – entwickelt, finden die meisten eine gute und gesunde Ausgewogenheit zwischen „für sich selbst sorgen“ und für andere da sein. Nicht nur im Seminar selbst, sondern auch später im Alltag.
5 Tipps, um Meditation in den Alltag zu integrieren
Doch wie lässt sich Meditation dauerhaft und sinnvoll in den Alltag integrieren? Ich selbst kam damals mit den besten Vorsätzen aus dem Meditationszentrum heraus: Jeden Tag zweimal anderthalb Stunden, das hatte ich mir vorgenommen. Zwei Wochen lang habe ich das durchgehalten. Dann kamen wieder Lebensphasen, in denen ich völlig vom Alltag verschluckt wurde, gar nicht meditierte oder nur selten. Nach jahrelangem Experimentieren habe ich nun Wege gefunden, die mir helfen, dran zu bleiben. Diese Erfahrungen möchte ich hier mit dir teilen.
1. Weniger ist mehr
Jeden Tag anderthalb Stunden in tiefe Meditation versinken? Das schaffen vielleicht Mönche im Himalaya, aber für einen normalen berufstätigen Menschen ziemlich unrealistisch. Macht aber überhaupt nichts. Der Wissenschaftler John Kabat Zinn hat festgestellt, dass auch kurzes, regelmäßiges Meditieren positive Effekte zeigt. Nimm dir also lieber eine kürzere Zeitdauer vor und versuche, dies regelmäßig zu machen, statt nach wenigen Tagen entnervt aufzugeben, weil du keine anderthalb Stunden schaffst. 15 Minuten täglich reichen schon aus.
2. Sei nicht zu streng mit dir selbst – aber bleibe dran
Geißele dich nicht selbst, wenn es mal an einem Tag nicht klappt. Es wäre schade, wenn Schuldgefühle die bereits erzielten Fortschritte wieder zunichte machten. Mache dann einfach am nächsten Tag wieder weiter! Wichtiger ist, dass du dauerhaft dran bleibst, auch wenn du immer wieder neu anfängst.
3. Fange leicht an und probiere aus
Du musst nicht gleich die schwierigsten Meditationstechniken beherrschen, um loszulegen. Absolute Gedankenlosigkeit mag für einige das Ziel sein, sollte aber nicht krampfhaft angestrebt werden. Beginne sanft, vielleicht mit einem täglichem „Body Scan“ oder Yoga Nidra, oder auch einer geführten Phantasiereise. Wenn du dann das Gefühl hast, dabei schon ruhiger zu werden, kannst du weitere Techniken ausprobieren.
4. Nutze die 40-Tage-Formel
Laut Yoga-Tradition braucht der Mensch 40 Tage, bis sich eine neue Denk- oder Handlungsweise als Gewohnheit etabliert hat. Laut Gehirnforschung braucht es 30 Tage, bis sich neue neuronale Verbindungen im Gehirn bilden. Wenn du verschiedene Arten von Meditation ausprobieren möchtest, dann bleibe mindestens 40 Tage am Stück bei einer Technik. Führe dabei Tagebuch über das, was in deinem Leben so passiert. Dann kannst du die Wirkung verschiedener Techniken noch besser reflektieren.
5. Sei ohne Erwartungen
Wie bei vielen anderen Dingen ist es bei der Meditation auch: Je mehr wir mit einer bestimmten Vorerwartung oder Vorbewertung herangehen, umso weniger erfüllt sich dies. Erwarte weder Erleuchtung noch Wunderheilung von irgendeiner Art der Meditation. Denn genau das ist auch das Prinzip: Löse dich von allen Vorstellungen, wie die Dinge sein sollten und akzeptiere das, was gerade ist. Je mehr du dich der Erwartungslosigkeit hingibst, umso mehr wirst du positiv überrascht werden.
Ich wünsche dir viel Spaß dabei!
Namasté Angela
Glücksaufgabe
Mache dir eine Notiz in deinem Kalender, in 40 Tagen. Wähle eine Meditationstechnik für dich aus, die du in diesen 40 Tagen anwenden möchtest. Besorge dir ein Tagebuch und schreibe jeden Tag deine Erfahrungen auf.
Meditationen für dich
Hier findest du Entspannungsreisen, Meditationen, Yoga Nidra und vieles mehr. Such dir einfach eine raus und lege los!
Buchtipps
Meditation löst Lebensprobleme von Safi Nidiaye
Jetzt! Die Kraft der Gegenwart von Eckhart Tolle
Bekannte Entspannungs- und Meditationstechniken
Body Scan
Eine sehr einfache und effektive Möglichkeit, den Grübelkreislauf der Gedanken zu unterbrechen, inne zu halten und in die Entspannung zu kommen. Dieser wird eingesetzt als Vorbereitung auf autogenes Training sowie zur Entspannung nach einer Yoga-Stunde oder auch Fitness-Stunde. Hierbei geht man den Körper gedanklich durch und entspannt nach und nach jeden Körperteil. Hier findest du einen angeleiteten Body Scan…
Yoga Nidra
Yoga Nidra bedeutet „yogischer Schlaf“. Dies ist eine Yoga-Technik aus der tantrischen Tradition, die durch tiefe Entspannung und bewussten Schlaf den Zugang zu tiefen Bewusstseinsschichten ermöglicht. Yoga Nidra ist eine systematische Methode, um vollkommene mentale, emotionale und physische Entspannung herbeizuführen. Diese geführte Reise durch den Körper lenkt das Bewusstsein auf alle Körperteile. Die Teilnehmer scannen dabei ihren Körper vom Kopf bis zu den Zehen und entspannen dabei jeden einzelnen Teil ihres Körpers. Optional führt der Gruppenleiter sie danach durch verschiedene Visualisierungen und Empfindungen, z.B. heiß/ kalt, leicht / schwer, Atemräume (Nase, Brustraum, Bauch), Orte der Entspannung (Meer, Wald, Landschaft). Weiterhin gibt es die Möglichkeit, am Anfang einen Wunsch oder Intention (Sankalpa) einzugeben und die Aufmerksamkeit am Anfang und Ende darauf zu lenken. Hier findest du eine Yoga Nidra Kurzentspannung…
Phantasiereise
Fantasie-, Märchen- oder Traumreisen sind imaginative Verfahren. In der Psychotherapie werden sie zum Aufspüren von innerer Kraft und Weisheit eingesetzt. Als Entspannungsverfahren wirken sie therapeutisch. Sie werden als Geschichten von einem Sprecher erzählt. Ein tiefer Ruhe- und Erholungszustand wird durch eine entspannte Körperposition, die Zuwendung durch den Sprecher sowie die Hinwendung auf die meist als angenehm erlebten Bilder in der eigenen Fantasie erzielt. Durch eine herabgesetzte Muskelspannung kommt es zu einer körperlich-seelischen Entspannung. Der Zuhörer stellt sich innere Bilder zu den Texten vor, in die möglichst viele angenehme Sinneseindrücke eingebaut sind. Hier geht es zur Phantasiereise „Die Oase“…
Vipassana-Meditation
Vipassana ist eine der ältesten Meditationstechniken Indiens und bedeutet soviel wie „die Dinge zu sehen, wie sie wirklich sind“. Es geht hier darum, den Geist von trüben Gedanken und „Unreinheiten“ zu befreien. Dies geschieht durch Selbstbeobachtung. Man beobachtet den Atem, körperliche Empfindungen und die Gedanken. Alles was gerade da ist – Gedanken, Sorgen, Schmerzen – wird als reine Empfindung angesehen und von einer Bewertung (gut oder schlecht) abgekoppelt.
Zen-Meditation
Zen ist eine wichtige Richtung im Buddhismus. Der Begriff „Zen“ leitet sich vom Sanskrit ab und bedeutet „Meditation“ oder „Versenkung“. Man versucht dabei, im gegenwärtigen Augenblick präsent zu sein, sei es bei der Zen-Meditation in der Konzentration auf die Haltung und Atmung oder auch bei allen anderen Tätigkeiten des Alltags. Um den Gedankenkreislauf zu stoppen, arbeitet man hier mit „Tricks“, wie z.B. von 1 bis 10 zählen, den Atem beobachten, sich mit Rätseln („Koans“) befassen. Das sind unlösbare Aufgaben oder paradoxe Aussagen, die der Lehrer dem Schüler in die Meditation mitgibt.
MBSR – Mindfulness Based Stress Reduction
Die Achtsamkeitsbasierte Stressreduktion (Mindfulness-Based Stress Reduction – MBSR) ist ein von dem Molekularbiologen Jon Kabat-Zinn in den späten 1970er Jahren in den USA entwickeltes Programm zur Stressbewältigung durch gezielte Lenkung von Aufmerksamkeit und durch Entwicklung, Einübung und Stabilisierung erweiterter Achtsamkeit. Hier geht es um eine Kombination von Yoga, Sitz- und Gehmeditation. Bei allen Übungen steht das nicht-wertende Annehmen dessen im Vordergrund, was gerade im Augenblick wahrnehmbar ist. Das können Körperempfindungen (z. B. Druck, Kribbeln), Gefühle (angenehm / unangenehm), Emotionen (z. B. Angst, Trauer), Stimmungen, Sinneswahrnehmungen oder Gedanken sein. Diese Methode findet sowohl in der Wirtschaftswelt immer größere Verbreitung, wird aber auch im klinischen Bereich (zum Beispiel mit chronisch Kranken) eingesetzt.
Dynamische Meditationen
Der spirituelle Lehrer Osho hat verschiedene Meditationen entwickelt, die mit Bewegung verbunden sind: zum Beispiel schütteln, tanzen, springen, aber auch Wut oder Albernheit herauslassen. Verschiedene Gefühle wie Weinen und Lachen finden hier ebenso ihren Ausdruck.
Besonders effektiv ist vor allem die Lachmeditation, die auch im Lachyoga nach Dr. Madan Kataria eingesetzt wird. Hier lässt man ca. 10 – 30 Minuten lang das Lachen frei sprudeln. Dies kann alleine praktiziert werden, ist aber einfacher in einer Gruppe, weil hier der gegenseitige Ansteckungseffekt genutzt werden kann. Hier findest du eine „Lachaufnahme„, die dich dabei unterstützen kann, in das freie Lachen hinein zu kommen.
Zitate
„Bei der Meditation geht es nicht um den Versuch, irgendwo hinzugelangen. Es geht darum, dass wir uns selbst erlauben, genau dort zu sein, wo wir sind, und genau so zu sein, wie wir sind, und desgleichen der Welt zu erlauben, genau so zu sein, wie sie in diesem Augenblick ist.“ Jon Kabat-Zinn
„Das Gegenstück zum äußeren Lärm ist der innere Lärm des Denkens. Das Gegenstück zur äußeren Stille ist innere Stille jenseits der Gedanken.“ Eckhart Tolle
„Du kannst die Wellen nicht stoppen, aber du kannst lernen zu surfen.“ Jon Kabat-Zinn
„Meditation ist das Reinigen des Geistes und Herzens vom Egoismus; durch diese Reinigung entsteht das richtige Denken, das allein den Menschen vom Leid befreien kann.“ Jiddu Krishnamurti
„Existenz ist nur im gegenwärtigen Moment. Der Verstand ist niemals im gegenwärtigen Moment.“ Osho
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