Stress-Management beginnt im Kopf
Vorweihnachtszeit: „Komm in die Stille“, „halte inne“, „besinne dich auf Freunde und Familie – auf das Wesentliche…“, so sollte man es doch nun eigentlich in dieser Zeit tun, fernab von Konsumrausch und Einkaufsstress, oder? Runterfahren und entspannen, mal alle „Pflichten“ beiseite lassen – das wär doch mal schön, jetzt um die besinnliche Zeit, oder? Ist bei den meisten aber keine Realität – zumindest nicht bei mir. Die sieht anders aus: Termine häufen sich, der Kalender ist voll, beruflich wie privat: Weihnachtsfeiern mit allen möglichen Gruppen sowie im Kindergarten des Kindes, Plätzchenbacktreffs und dazu das typische „Jahresendsyndrom“, dass man sich unbedingt noch in diesem Jahr mit bestimmten Menschen sehen möchte oder mit ihnen genau die Unternehmung machen möchte, die man das ganze Jahr über nicht geschafft hat.
„Wir schenken uns nichts“ ist bei vielen ein beliebtes Bekenntnis geworden, aber dann stehen doch die Pralinenschachtel, die Flasche Wein, der selbst gemachte Schnaps oder die Kekse auf dem Tisch. Hat man dann selbst nichts, ist es irgendwie blöd – und für das Kind wäre natürlich ein „wir –schenken-uns-nichts“-Vorsatz eine Katastrophe. Um ehrlich zu sein: bei mir ist diese Zeit vor Weihnachten einfach nur dicht. Ruhiger wird’s erst am 24. Dezember gegen 18:00 Uhr – wenn die Geschenke eingepackt sind, der Baum geschmückt ist und der Kartoffelsalat mit Würstchen auf dem Tisch steht.
Stress ist individuell unterschiedlich
Oft habe ich mir deswegen ein schlechtes Gewissen gemacht und gedacht, ich mache irgendwas falsch- das macht die Situation jedoch nicht besser. Mir hilft dann eher eine andere Überlegung: Wie viel von dem Stress, den ich habe, kommt wirklich durch äußere Verpflichtungen und wie viel davon mache ich mir selbst? Wie viel davon empfinde ich überhaupt als Stress? Denn die Frage, wie viel Stress wir haben und wie viel gut für uns ist, hat sehr individuelle Antworten.
Stressforscher haben festgestellt, dass das gleiche „Stresserlebnis“ von jedem unterschiedlich wahrgenommen wird. Der eine regt sich auf und kommt nicht mehr runter, wenn er im Stau steht. Der nächste sieht’s gelassen und macht sich einen guten Podcast an. Ändern lässt es sich eh nicht. Die einen fühlen sich absolut überfordert, wenn sie mehr als einen Termin pro Tag haben. Bei anderen platzt der Terminkalender aus allen Nähten, und sie schweben trotzdem fröhlich von einem Termin zum nächsten. Eine gewisse Dosis „Eustress“ – also guter Stress – ist sogar wichtig, damit wir gut, in Freude und konzentriert handeln können. Wer auf Dauer unter seinen Fähigkeiten agiert, endet unmotiviert und antriebslos.
Echter Stress oder hausgemacht?
Stress ist also grundsätzlich schon gut – er wird nur dann schädlich, wenn wir uns selbst unter Stress setzen – durch die Anforderungen, die wir an uns selbst stellen. Das tun wir meist nicht bewusst, sondern weil wir bestimmte Muster in uns haben, die uns antreiben. In der Stressforschung spricht man von den „5 Stressverstärkern“:
1. Perfektionismus: Am besten soll es das selbstgebastelte Geschenk, mit perfekter Karte dazu und originell dekorierter Verpackung sein. Auch beruflich verwenden Menschen viel Zeit auf das letzte Ausfeilen einer Präsentation oder Aufgabe. Laut Pareto brauchen wir für die letzten 20% der Aufgabe nochmal 80% der Arbeitszeit. Hier ist die Frage: lohnt sich auch mal der Mut zur Lücke? Bzw. reicht als Geschenk vielleicht doch mal eine gekaufte Pralinenschachtel oder die Flasche Wein?
2. Wunsch nach Anerkennung: Die beste Freundin zieht um, der Kollege kommt mit der neuen Software nicht klar, die Freundinnen wollen genau jetzt mal wieder tanzen gehen. Da kann man doch nicht nein sagen, oder? Man könnte ja was verpassen – oder wird nachher gar nicht mehr gefragt, wenn man einmal nein sagt. Was, wenn jemand die Freundschaft kündigt, weil das Geschenk voll daneben war? Mal ehrlich: würde das passieren? Und wenn ja, wäre das echte Freundschaft? Hier könnte man sich auch fragen: warum brauche ich die äußere Anerkennung so sehr? Was kann ich tun, um mir selbst die Anerkennung zu schenken, die ich mir wünsche?
3. Stark sein wollen: Kennst du auch die Menschen, die kategorisch „nein“ sagen, wenn man ihnen ihre Hilfe anbietet? Oder gehörst du vielleicht selbst zu denjenigen, die alles am liebsten selbst wuppen wollen? Da hilft die Frage: was kann ich delegieren? Wo kann ich mir Unterstützung suchen? Oft ist dies keine Einbahnstraße, sondern es können ganz neue Ideen und Verbindungen entstehen, die für alle Seiten gewinnbringend sind.
4. Übertriebene Vorsicht: alles, was wir tun, kann schief gehen. Wenn wir dabei ständig Angst vor Fehlern oder negativen Konsequenzen haben, ist der Stress vorprogrammiert. Wir können nicht immer alles kontrollieren. Aber wir können unser Vertrauen stärken, dass es schon irgendwie gut gehen wird. Und dabei Schritt für Schritt mutiger werden. Um etwas zu bewegen, braucht es nunmal Mut. Der kommt nicht von heute auf morgen, aber er lässt sich trainieren. Jeden Tag einen kleinen Schritt weiter aus der Komfortzone.
5. Bequemlichkeit: klingt paradox, aber auch Bequemlichkeit kann Stress verursachen. Wenn wir die Steuererklärung ewig aufschieben, steht irgendwann die Nachtschicht an – oder der Gerichtsvollzieher vor der Tür. Ohne regelmäßiges Zähne putzen droht irgendwann die langwierige und zeitaufwändige Zahnbehandlung. Frage: Wann ist es also hilfreich, doch lieber kleine Dinge schnell zu erledigen?
Du findest dich in dem einen oder anderen Beispiel wieder? Kein Stress! Denn das Bewusstsein darüber ist oft schon ein erster Schritt zur Veränderung. Bis dahin gilt: lieber stressige Zeiten annehmen und genießen, statt sich verrückt zu machen.
Nicht der Stress selbst ist schädlich, sondern unser Glaube darüber
Eine Erkenntnis aus der Forschung bestätigt dies auf frappierende Weise: 30.000 Menschen wurden über mehrere Jahre hinweg befragt, wie viel Stress sie in letzter Zeit hatten. Weiterhin wurden sie gefragt, ob sie glauben, dass Stress gesundheitsschädlich sei. Jahre später wurden die Sterberaten der Befragten erhoben. Das Ergebnis: diejenigen, die viel Stress hatten und glaubten, dass Stress gesundheitsschädlich ist, hatten das höchste Sterberisiko. Diejenigen, die zwar viel Stress hatten, diesen aber nicht für gesundheitsschädlich hielten, hatten das niedrigste Sterberisiko – sogar niedriger als diejenigen, die nur wenig Stress hatten. Das heißt: nicht der Stress selbst schadet uns, sondern die Überzeugung, dass Stress schädlich ist, wird zum tödlichen Verhängnis. Es wäre also kontraproduktiv, Stress zu verteufeln. Wichtiger ist es, die positiven Aspekte zu sehen. Wie kann das gehen?
Wir können stressige Phasen im Leben nutzen, um die innere Kraft zu aktivieren und zu Höchstform aufzulaufen. Wir können dabei unsere Widerstandsfähigkeit trainieren und somit die „Resilienz“ stärken. Wir können uns bewusst machen, dass nach stressigen Zeiten auch wieder ruhigere Zeiten kommen. Denn natürlich braucht es diese Phasen auch, um wieder neue Energie aufzuladen.
11 Minuten täglich für mehr Zufriedenheit und Gelassenheit
Bis dahin können wir auch durch stressige Zeiten mit Achtsamkeit und wachem Bewusstsein gehen – dies erfordert weder großen Zeitaufwand noch große geistige Anstrengungen. Mit 11 Minuten am Tag ist schon viel erreicht. 11 Minuten nur für dich selbst – zum meditieren, still sitzen, eine Runde um den Block laufen, lächeln, lachen oder 3 Dinge aufschreiben, für die du dankbar bist. Wenn wir uns diese Zeit für uns selbst nehmen, dann macht das schon einen Unterschied. Egal ob wir am Ende mit oder ohne Geschenk dastehen.
Glücksgedanken für die Woche
- Jeder empfindet Stress unterschiedlich
- Wenn wir Stress als positiv ansehen, kann er uns nicht schaden
- Schon kleine Momente des inne haltens reichen aus, um stressige Phasen zu überstehen
- Viel von unserem Stress ist hausgemacht – durch die eigenen Ansprüche an uns selbst
Fragen an dich selbst
- Wo könntest du auch mal Fünfe gerade sein lassen?
- Wo tust du die Dinge, um Anerkennung von außen zu bekommen statt von dir selbst?
- In welchen Bereichen könntest du dir von anderen Unterstützung holen oder mit ihnen zusammen arbeiten?
- Wo wäre es auch mal gut, mutig zu sein?
- Wenn du eine Sache vor dir herschiebst: ist es wirklich, weil du nicht dazu kommst, oder vielleicht weil es dir irgendwie unangenehm ist oder du keine Lust dazu hast?
Zitate
„Wenn du es eilig hast, gehe langsam.“ Lothar Seiwert
„An sich ist nichts weder gut noch böse, das Denken macht es erst dazu.“ Shakespeare
Kurstipp:
Das „SMILE-Programm für Resilienz und Lebensfreude“
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Stärke deine innere Kraft und lasse äußere Ärgernisse weniger an dich heran – hier gehts zur entsprechenden Übung…
Ja, das Sprichwort passt super! Und es bestätigt sich mal wieder: Vieles was wir schon längst ahnen und praktizieren, wird immer mehr durch die Wissenschaft belegt.
Liebe Angela, danke dafür, dass du diese Studienergebnisse recherchierst und teilst. Sie bestätigen eindrucksvoll, was in dem schwedische Sprichwort „Wer seinen Ärger verkürzt, verlängert seine Leben“ zum Ausdruck kommt.